End of the road

Wir sind wieder Hause - nicht ganz freiwillig. 

Nach einem 800 Kilometer Ritt von Danzig aus, kamen wir gestern Abend gegen 23.15 Uhr nach über 12 Stunden Fahrt wieder in Wendisch Evern an.

Gestern früh trafen wir die Entscheidung, wieder so schnell wie möglich zurück zu fahren. An Polen oder gar den Polen lag das aber nicht. Ganz im Gegenteil, um dem gleich entgegen zu wirken. Die Woche in Polen hat in uns den Wunsch geweckt, das Land noch ein zweites Mal zu besuchen. Spätestens Danzig lässt jedermann/jedefrau zu Fans der Ostseeküste in Polen werden. Pommern hat was. Das ist schon mal klar.

Nein, der Grund war ein anderer. Christina ging es leider von Anbeginn der Woche nicht gut. Da ging soweit, dass sie am Montagmorgen selber den Vorschlag machte, doch nicht weiter nach Masuren zu fahren. Und so brachen wir etwas vorzeitiger ab - aber spätestens am Mittwoch hätten wir uns ohnehin wieder auf den Rückweg gemacht.


Und - hat uns der nördliche Teil von Polen gefallen?  

Ja, das kann man sagen. 

Landschaftlich ist die Region Pommern nicht unbedingt herausragend oder besonders spektakulär, aber sie hat ihre Momente und Sichten. Viel Natur, hügelig bis flache Landschaft, viel Wälder, Wiesen und Landwirtschaft, abgelöst von kleinen Dörfern, manchmal etwas größeren Städten, die alle ihren Charme haben, gerade weil sie nicht ganz so perfekt wirken. Der Zustand einiger Häuser - mal abgesehen von Danzig - mag auf den ersten Blick abschreckend wirken. Aber die Orte vermitteln eine ruhige und entspannte Atmosphäre, wie zum Beispiel Trzebiatow (Treptow an der Rega), durch das wir - um es uns anzusehen - etwas intensiver gekurvt sind. Die Ostseeküste ist natürlich großartig - aber nicht so anders, wie bei uns. Und man muss die Stimmung solcher Badeorte mögen. Wobei diese Orte um Rewal alles andere als laut und kreischend waren. Aber die dort üblichen Vergnügungen (nach dem Baden) sind nicht so unsere Sache. Schnellimbisse, Cafes, Restaurants, Pensionen und zwischen drin immer wieder die in solchen Orten vermutlich unvermeidlichen Standards, wie Klamotten, Plastik und Kram gehören irgendwie zu diesen Ortschaften. Sind aber nicht unseres. Und wenn man nicht gewillt ist, den ganzen Tag am Strand zu liegen (und am Abend über die Promenaden an den oben aufgezählten Events entlang zu laufen - natürlich schick aufgebrezelt), dann sollte man das bleiben lassen. Nach zwei Tagen ist man damit durch. Mit Ausnahme der Bäder um Soopot vielleicht. Dort hat die Stimmung einen etwas mondäneren und exklusiveren Touch - ohne dabei abgehoben oder snobistisch zu wirken. Rewal und die anderen Badeorte sind wirklich nicht übel - aber nicht noch mal für uns. 

Uns würde dann vielmehr der östliche Teil - Masuren - interessieren. Das möchten wir uns doch einmal genauer ansehen.

Die Vorurteile über die Polen oder Polen generell haben sich nicht bestätigt. Sie entpuppten sich als das, was Vorurteile in der Regel immer sind: dumm. Die Polen sind freundliche, disziplinierte und sehr familienfreundliche Menschen. Selten so viele schwangere Frauen und junge - sehr junge - Familien gesehen, wie hier. Die Stimmung in Rewal war insgesamt auch sehr ruhig. Kein Geschrei und wilder Lärm oder gar eine "Proll-Atmosphäre". Nein, man merkte, dass die Polen Rücksicht auf einander nahmen. Mal abgesehen von sehr jungen Menschen vielleicht, die wohl - wie überall in der Welt - einen kleinen Tunnelblick nur auf sich haben. Und ja - bevor jemand fragt - wir haben unser Auto auch wieder nach Hause gebracht. 

Vielleicht sind die Straßen nicht überall tipptopp. Gerade auf dem Land fährt man manchmal durch Dörfer, deren Straßenbelag grenzwertig ist. Aber das ist leicht zu kompensieren, indem man langsamer fährt (40 Km/h ist dort in Dörfern ohnehin Pflicht - und das sollte man einhalten, da auch der kleinste Ort häufig noch mindestens einen Blitzer hat). Und das Fahrverhalten der Polen - zumindest einiger, vor allem sehr junger, Verkehrsteilnehmer - fällt auf. Abstandhalten gehört nicht zu den Tugenden dieser besonderen Autofahrer. Aber auch damit kommt man klar, nach ein paar Tagen. Ist halt so - und darüber hinaus auch nicht die Regel.

Aber trotzdem bleiben die polnischen Autofahrer dabei freundlich. Jeder (wirklich jeder!) Autofahrer hat sich per Blinklicht bedankt, wenn man ihn über einen Seitenstreifen vorbeigelassen hat. Und die zweimal, an denen wir die Herren von der Landesjägerschaft am Wegerand getroffen haben, wurden wir vorher von uns entgegenkommenden Autofahrern gewarnt. Jeder (auch wirklich jeder!) Autofahrer, den wir bei einer Gelegenheit vorgelassen haben, hat sich bedankt.

Und wer behauptet, in Polen gibt es keine Fahrradwege, ist dort noch nicht Fahrrad gefahren. Ja, auf den Landstraßen gibt es sie nicht, zwischen den vor allen kleinen Ortschaften. Aber trotzdem findet man dort hin und wieder mal Radler, vermutlich Einheimische, die zwischen den Orten pendeln. Und wenn man dabei beobachtet, wie ernst die Polen den Abstand von dem Radler nehmen (2 Meter sind da nichts), dann könnten wir uns davon eine Scheibe abschneiden. Trotzdem macht das Fahren auf solchen Landstraßen keinen Spaß, obwohl die durch tolle Gebiete führen. Der Stress ist zu groß. Aber in Danzig z.B. kann man auf der R20 (Randwanderweg 20) entlang der Küste auf tollen Fahrradwegen fahren - ich bin von der Innenstadt bis nach Gdania gefahren. Und mit kurzen Unterbrechungen hinter Soopot, wo es mal kurz über den Strand geht (was man aber umfahren kann), sind die Radwege dort der Hammer. Da habe ich auch den ersten Fahrradkreisel überhaupt kennengelernt. Das gleiche gilt für die Küstenorte, auch wenn dort die fast Autobahnhaft ausgebauten Fahrradwege hin und wieder aufhören und von breiten Panzeringstraßen (mit dem entsprechenden Betonplattenbelag mit großen Fugen) abgelöst werden. Aber selbst die werden intensiv genutzt. Die Polen fahren scheinbar gerne Fahrrad. Und selbst in Danzig kann die Stadt fast komplett mit dem Fahrrad abgefahren werden - z.B. raus zur "Westerplatte". Manchmal muss man vielleicht seinen Weg suchen - aber das macht ja gerade den Spaß aus. Also, wer kann: Fahrrad mitnehmen oder dort leihen und loslegen. E-Bikes sind in Polen übrigens noch nicht so verbreitet, wie bei uns. Und häufig findet man auch Fahrradparkplätze zum Abstellen der Räder. Manche sogar mit Picknicktischen und Luft- und Repartureinheiten. Der z.B. in Soopot am Leuchtturm (an der Mole) ist der Hammer.

Der Verkehr ballt sich in der Regel an den Einfall- und Ausfallstraßen der etwas größeren Ortschaften. Da kommt man dann mal in Staus. Da zwischen kann man dann aber auch mal lange Zeit alleine vor sich hin fahren. Die Autobahnen (wir haben nur die E6 kennengelernt) sind in optimalen Zustand und - zumindest bei uns war das so - ziemlich leer. Allerdings könnte die Autobahn nach Danzig unter Umständen noch nicht durchgehend verlaufen - jedenfalls standen wir einmal vor einem gesperrten Abschnitt auf unserer Hinfahrt. Aber das interessierte uns nicht so sehr, da wir eher Landstraße-Fans sind. Vor allem die E20 von Danzig nach Stettin hat es uns angetan. Dauert zwar auch seine Zeit, aber man sieht viel Landschaft und Orte und erlebt eine fahrerisch interessante  und vielseitige Tour. 

Sprachlich schafft man es gut mit Englisch. Wenn auch nicht immer und überall. Aber selbst Deutsch klappt öfters, als man glaubt. Ein paar Vokabeln sollte man aus Höflichkeit drauf haben - macht darüber hinaus auch noch Spaß. Christina wurde fast immer auf polnisch angesprochen - ich weniger. 

Der Lebensunterhalt ist tatsächlich günstiger, als bei uns. Wenn auch der Unterschied langsam sich anzunähern scheint. Und Vegetarier finden auch ihren Bereich. 

Ach ja, dass fiel uns noch sehr positiv auf: Die Müllsituation am Wegerand ist fast nicht existent. Anders, als bei uns. Auch in Danzig oder Rewal lag eigentlich so gut wie kein Müll auf der Straße herum. Sehr angenehm. Und mit den Sloty kommt man auch sehr schnell und gut klar. Kleingeld ist dort sehr beliebt - vor allem im Supermarkt - und man macht sich große Freunde, wenn man nahezu passend bezahlt. Verzichtet aber auf die Rückgabe der Cent/Pfennig analog Beträge (belastet nur die Hosentasche und ich weiß noch nicht mal, wie der Währungsanteil - 1/100 Sloty - eigentlich heißt). Warum die Polen die noch haben, entzieht sich mir gänzlich.

Fühlten wir uns zu irgendeiner Minute mal bedroht, unwohl oder unsicher? Nein, nicht eine Minute.

Also Fazit: Polen sollte man mal besuchen. Wir werden es sicherlich auch noch mal angehen. 

 





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